Zittau

- am Rand des reichen Europa

Buch und Regie Ute Bönnen und Gerald Endres
Kamera Tomas Blazek
Redaktion Bernd Schauer
Produktion SFB
Erstaustrahlung B1 1993
Länge 44 min
Inhalt:

Der Film war Teil einer Reihe des SFB über Grenzstädte. Zittau liegt im Dreiländereck zwischen Polen, der Tschechischen Republik und Deutschland, und uns interessierte vor allem, wie die Bewohner der Stadt mit dieser Grenzlage umgehen.

ittau lockt Touristen mit einem hübschen, alten Stadtkern und liegt in einer sehr schönen Landschaft. Die Stadt mit ihren 32000 Einwohnern hat aber auch reichlich Probleme: Nach der Wende ist die traditionelle Textilindustrie zusammengebrochen, und auch der Fremdenverkehr läuft nicht mehr so wie zu DDR-Zeiten. Die Arbeitslosigkeit ist hoch.

In der offiziell verkündeten Politik wird die Lage im Dreiländereck als eine Chance für die Stadt dargestellt, sprach man damals aber mit den Lokalpolitikern, hört sich alles ganz anders an. Da wurde die Nachbarschaft vor allem als Problem gesehen. Die Angst vor illegalen Grenzgängern ging um, vor der billigen Konkurrenz aus Tschechien und Polen, und der Bürgermeister der Stadt sinnierte vor der Kamera darüber, daß die Polen jenseits der Grenze ja eigentlich gar keine richtigen Mitteleuropäer seien, sondern aus der Ukraine usw. hier angesiedelt worden wären. In einem Klima wechselseitiger Vorbehalte blieben grenzüberschreitende Probleme ungelöst.

Eines dieser Probleme war die Braunkohlengrube und das Kraftwerk Turow auf der polnischen Seite. Die gigantische Tagebaugrube reicht bis auf ein paar Meter an den Grenzfluß Neisse, in den Dörfern am Fluß haben die Häuser Risse, und die tektonischen Verschiebungen bedrohen auch das mittelalterliche Zittauer Stadtzentrum. Kommt der Grubenrand irgendwann ins Rutschen, wird es ab Zittau keine Neisse mehr geben, -die füllt dann die nächsten Jahre den Braunkohletagebau auf.

In Zittau mühte sich ein rühriges Multikulturelles Zentrum um grenzüberschreitende Kontakte, doch der Erfolg im Alltag hielt sich in Grenzen. Vor allem das deutsch-polnische Verhältnis warvon wechselseitiger Abneigung geprägt. Man ging zwar über die Grenze und kaufte auf dem Polenmarkt ein, aber damit hatte es sich auch. Als wir mit dem Team auf polnischer Seite drehten, empfanden viele Polen schon das als Provokation. Mehrmals wurden uns Prügel angedroht. Ein bißchen besser sah es beim deutsch-tschechischen Verhältnis aus. In Hradek, ein paar Minuten mit dem Zug von Zittau, konnte man in den Gastwirtschaften auch deutsch-tschechisch gemischte Tischrunden bobachten.

Verschlechtert wurde das Klima auch durch die rechte Szene in Zittau. Die rechten Jugendlichen griffen Ausländer in der Stadt an. Als wir dort waren, wagten sich afrikanische Studenten der Hochschule für Technik,Wirtschaft und Sozialwesen in Zittau (heute Hochschule Zittau / Görlitz) nur in Gruppen aus dem Wohnheim. Gelegentlich machten Skinheads an der Neisse Jagd auf illegale Grenzgänger, und zur Zeit der Dreharbeiten brachen sie immer wieder brutale Auseinandersetzungen mit den linken Zittauer Hausbesetzern vom Zaun.


Links:

Kommunalgemeinschaft Euroregion Neisse

Stadtverwaltung Zittau

Hochschule Zittau / Görlitz

Grenzüberschreitende Schulen im Dreiländereck