Preußen nach 1921

Preußen -
Chronik eines Staates

Republik, Nazi-Herrschaft und Untergang (1918 - 1947)

Buch und Regie Ute Bönnen und Gerald Endres
Kamera Michael Lösche
Schnitt Henry Szelinski
Redaktion Johannes Unger (ORB),
Gudrun Wolter (WDR),
Jürgen Tomm (SFB)
Produktion ORB (federführend), WDR, SFB
Erstaustrahlung 2000 in der ARD
Länge 30 min

Inhalt:

Die deutschen Gebietsverluste nach dem ersten Weltkrieg gehen bis auf Elsaß-Lothringen zu Lasten Preußens, und es gibt ernsthafte Überlegungen, Preußen aufzulösen. Die Gründe erinnern sehr an den Auflösungsbeschluß der Alliierten von 1947: Preußen gilt als Hort der Reaktion und des Militarismus, Außerdem fürchtet man die Übermacht Preußens durch seine Größe im neuen Staatswesen.

Die Sozialdemokraten setzen schließlich den Erhalt Preußens durch. Das hat mehrere Gründe: Sozialdemokraten sitzen schon auf wichtigen Posten in Preußen, die sie nicht wieder aufgeben wollten. Es ist abzusehen, daß nach dem Wegfall des Drei-klassenwahlrechts Preußen dauerhaft (sozial-)demokratisch wählen würde. Außerdem fürchtet man, daß eine Zerstückelung Preußens den Gebietsansprüchen der Siegermächte zusätzliche Nahrung geben würde. Preußen verliert ohnehin schon sehr viel Land.

Der Erhalt Preußens steht noch aus einem anderen Grund auf der Kippe. Im Rheinland formiert sich mit Unterstützung der Franzosen eine separatistische Bewegung. Sie strebt eine rheinische Republik an, - die einen innerhalb, die anderen außerhalb des Reichsverbands. Eine wichtige Rolle spielt dabei der Kölner Oberbürgermeister Konrad Adenauer. Später erklärt er, er habe sich an die Spitze der Bewegung gestellt, um Schlimmeres zu verhindern. Der Gegensatz zwischen Konrad Adenauer und dem langjährigen preußischen Ministerpräsidenten Otto Braun wird sich bis zum "Preußenschlag" hinziehen und die Abwehr des Putsches schwächen.

Das Land Preußen entwickelt eine erstaunliche politische Stabilität. Während keine Reichsregierung eine volle Legislaturperiode durchhält, wird Preußen bis zum Schluß von derselben Koalition aus Sozialdemokraten, Zentrum und Liberalen regiert, - von den Parteien, die die Weimarer Demokratie begründeten. Die Reichsbehörden sind oft Horte antidemokratischen Denkens, Preußen bemüht sich, sein Personal zu demokratisieren und kämpft mit allem Mitteln, die ihm zur Verfügung stehen, gegen Kommunisten und vor allem gegen die Nationalsozialisten, während die Nazis in anderen Ländern schon an der Regierung beteiligt werden. Ministerpräsident in diesen Jahren ist der Sozialdemokrat Otto Braun, ein knorriger Ostpreuße. In einer kurzen Phase als Gewerkschafter bei den Landarbeitern hat er sich den tiefen Haß der Landjunker zugezogen. Vorher hatten die Junker von den preußischen Ministerien aus das Reich regiert. Jetzt sitzen die Herren mit dem Adels-titel und dem "-witz" oder "-ow" am Namensende in den Reichsministerien und pfuschen der sozialdemokratischen preußischen Regierung ins Handwerk. Per Reichsgesetz wird Braun gezwungen, neue Wohltaten an die ostelbischen Landherren zu verteilen, sein Versuch, das in eine Förderung von Klein- und Mittelbauern umzumünzen, wird torpediert.

Das Ende dieser demokratisch-preußischen Epoche kommt mit dem "Preußenschlag". Die preußischen Behörden waren ziemlich konsequent gegen SS und SA vorgegangen. Um die Tolerierung seines Kabinetts durch die Nazis zu erreichen, läßt Reichskanzler Franz von Papen die Kampfeinheiten der Nationalsozialisten wieder zu. Den Zugriff auf Polizei und Verwaltung Preußens sichert sich Papen, indem er per Notverordnung die preußische Regierung absetzt und selbst als Reichskommissar die Amtsgeschäfte übernimmt. Ausgerechnet die Camarilla preußischer Landjunker um Hindenburg führt damit das faktische Ende Preußens herbei. Der Widerstand gegen den Putsch ist schwach, juristische Schritte bleiben folgenlos. Preußen existiert nicht mehr als eigenständige politische Einheit. Es bleibt im gleich-geschalteten Nazireich als Verwaltungsgebiet erhalten.

Verwaltungs- und Außengrenzen, die nach dem Krieg die Alliierten ziehen, orientieren sich schon nicht mehr am preußischen Staatsgebiet. Der Auflösungsbeschluß der Alliierten konstatiert nur noch die Realität.

Unabhängig von den politischen Auseinandersetzungen um das Bundesland Preußen durchzieht die Geschichte der Weimarer Republik und des Nazireichs eine Auseinandersetzung um preußische Werte und preußische Tradition. In den ersten Jahren verbindet der Wunsch nach Rückkehr der Hohenzollernmonarchie die konservativen Demokratiegegner. Als preußisch verstehen sie die wilhelminische Kombination von Militarismus, Obrigkeitsdenken und Nationalismus.

Sozialdemokraten versuchen, die Loyalität gegenüber dem Staat und den Gehorsam gegenüber den Gesetzen als preußisches Erbe zu propagieren, aber gerade damit haben die preußischen Traditionsreviere Beamtenschaft und Reichswehr nicht viel im Sinn. Die Reichswehr steht bruchlos in der preußischen Militärtradition, ein Großteil des Offizierskorps kommt aus alten preußischen Familien. Das Militär bildet einen Staat im Staat, loyal einem selbstdefinierten Deutschland, aber nur notgedrungen den Regierungen der Demokratie gehorsam.

Als die wahren Preußen verstehen sich die ostelbischen Großgrundbesitzer, die jeden sozialen Wandel im Osten Deutschlands bekämpfen und staatliche Subventionen für ihre unrentablen Güter als ihr gottgegebenes Recht ansehen.

Auf die preußische Tradition berufen sich auch die Nazis, wobei sie das nichtdeutsche Erbteil in der preußischen Geschichte und den lange Zeit virulenten Gegensatz zwischen Preußen und der deutschen Nationalidee verdrängen. Der preußische Militarismus paßt dagegen recht problemlos zur nationalsozialistischen Ideologie.

Der Anteil der Preußen unter dem nationalsozialistischen Führungspersonal ist im Vergleich zum Bevölkerungsanteil auffallend gering. Es dominieren die Süddeutschen. Das heißt nicht, daß die Nazis bei den Preußen keine Unterstützung finden: Der konservative Preuße identifiziert sich zwar nicht gerade mit den proletenhaften Braunhemden, er empfindet sie jedoch als Verbündete.

So reagieren dann auch die alten preußischen Eliten in Verwaltung und Militär, spätestens nachdem ihnen die neuen Herren klargemacht haben, daß sie ihre Positionen nicht antasten. Daß Hitler schließlich noch preußische Stammlande wieder zurückholt, fördert Loyalität bis in den Untergang.

Gerade weil die preußisch-protestantische Ethik den Gehorsam gegenüber der Obrigkeit als Wert an sich behauptet, und gleichzeitig Regeln setzt, die über die irdischen Gesetze hinausgehen, durchzieht die preußische Mentalitätsgeschichte eine ständige Auseinandersetzung um den Gehorsam. Zu dieser Geschichte gehören neben unzähligen Geschichten und Anekdoten Yorcks Eigenmächtigkeit in Tauroggen wie Kleists "Prinz von Homburg". Die Attentäter des 20 Juli handelten genauso in der preußischen Traditionen wie die Militärs, die den Putschversuch niederschlugen.

Die letzte Folge der sechsteiligen Preußen-Reihe zeigt, wie im Untergang Preußens noch einmal alle Traditionslinien seiner Geschichte aufblinken und sich verweben.


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